So setzen Sie ein 360-Grad-Feedback wirksam ein

Der Erfolgsfaktor des Prozessdesigns wird bei der Durchführung eines 360-Grad-Feedbacks häufig unterschätzt. Das Potenzial eines guten Tools wird erst durch den passenden Prozess voll genutzt. Folgende Fragen sollten deswegen im Vorfeld gestellt werden, damit das 360-Grad-Feedback seine volle Wirkung entfalten kann. 

  • Wie sollen die Feedbackempfänger mit den Ergebnissen umgehen?
  • Wieviel Verbindlichkeit in den einzelnen Prozessschritten ist zielführend?

Welcher Ansatz ist der Richtige?

Die Bandbreite der Möglichkeiten reicht dabei vom ausgeprägt selbststeuernden Ansatz bis hin zum vorgegebenen Prozessdesign mit verbindlichen Folgeschritten. 
Beim selbststeuernden Ansatz will man die Führungskraft und deren sehr persönliche Daten schützen. dabei geht man davon aus, dass eigenverantworlich handelnde Führungskräfte die Entwicklungsimpulse aus dem 360-Grad-Feedback selbstständig erkennen, aufgreifen und umsetzen können. Rückmeldegespräche mit Beraterunterstützung und die Diskussion mit den Einschätzern sind oft optional.

Vorteile der Selbststeuerung:
  • Der Feedbackempfänger hat meistens exklusiven Zugriff auf die Auswertung; er entscheidet selbst, was weiter damit passiert.
  • Die Eigenverantwortung wird gestärkt. Dieser Ansatz zeigt auch das Vertrauen in die Selbststeuerungsfähigkeit der Feedbacknehmer. 
Nachteile der Selbststeuerung:
  • Die Ergebnisse können fehlinterpretiert werden.
  • Konflikte und Probleme können von den Feedbackempfängern ignoriert oder nur halbherzig angegangen werden.
  • Die Transparenz zu den Problemen wird verhindert. Es besteht die Gefahr, dass die Feedbackempfänger den „Weg des geringsten Widerstands“ gehen.

Das Potenzial des Feedbackverfahrens wird beim Ansatz der Selbststeuerung häufig nicht genutzt und in der Folge degeneriert darauf das 360-Grad-Feedback zur Pflichtübung. Obwohl es in regelmäßigen Zyklen durchgeführt wird, hat es keine echte Wirkung für das Führungssystem. Das Prozessverständnis reduziert sich bei den Verantwortlichen schon aus Budgetgründen oftmals auf die reine Durchführung der Befragung.

Der Ansatz der Verbindlichkeit hat das Ziel, individuelle Entwicklungsbedarfe zentral zu erfassen und zu bearbeiten. Leider kann man auch hierbei leicht übers Ziel hinausschießen. Deswegen ist ein Feedbackgespräch mit einem internen oder externen Berater als Pflichtbestandteil vorgesehen. Ebenfalls kann die Diskussion mit dem Vorgesetzten und den eigenen Mitarbeitern, um Transparenz zu schaffen und die Zahlenebene einer qualitativen Diskussion zu nutzen, zu den vorgegebenen Bausteinen gehören. Das Prozessdesign umfasst dann womöglich auch noch Entwicklungspläne für die teilnehmenden Führungskräfte. Die entsprechende Umsetzung wird von der Personalentwicklung oder dem Vorgesetzten begleitet.

Vorteile von hoher Verbindlichkeit:
  • Die Transparenz ermöglicht eine bedarfsgerechte Unterstützung.
  • Das Gießkannenprinzip führt zu Streuverlusten, da in vielen Fällen zu viel Aufwand betrieben wird.
Nachteile von hoher Verbindlichkeit:
  • Die Feedbacknehmer werden gläsern, wenn die Auswertungen im HR Bereich gespeichert werden.
  • Entmündigung der Führungskräfte, da es kaum eigne Gestaltungsspielräume gibt.
  • Enormer Ressourceneinsatz, der zu oft am realen Bedarf vorbeigeht, wodurch auch die Akzeptanz des Verfahrens leidet.

Empfehlung: Selbststeuerung UND hohe Verbindlichkeit

Grundsätzlich gilt: 
Gespräche schaffen Transparenz, Transparenz schafft Erwartungen und Erwartungen schaffen Verbindlichkeit. 

Verankert man jedoch zu viele Elemente (Gespräche und Entwicklungspläne) als Pflichtbestandteil, so geht dies in vielen Fällen am Bedarf vorbei. Die meisten Führungskräfte erhalten ein positives 360-Grad-Feedback und haben somit keine fundamentalen Entwicklungsbedarfe. Entwicklungsimpulse können im Sinne eines Feintunings meist selbstständig umgesetzt werden. Ein Entwicklungsplan und weitere externe Begleitung ist somit auch nicht notwendig. 

Der Ansatz muss zum Bedarf passen

Bei der Auswahl des geeigneten Ansatzes muss somit immer der reale Bedarf entscheidend sein! Idealerweise entscheidet man erst NACH Kenntnis der Ergebnisse über das konkrete weitere Vorgehen. Ein tragfähiger Rahmen könnte so aussehen, dass ein Feedbackgespräch mit dem Berater fester Bestandteil ist. Gespräche mit dem Vorgesetzten und den Mitarbeitern sind vorgesehen, aber in Dauer und Form nicht vorgegeben. Auch diese Gespräche richten sich nach dem individuellen Bedarf.  Anschließend könnte beispielsweise bie einem sehr guten Feedback die Rückmeldung ans Team als Tagesordnungspunkt im regulären Teammeeting besprochen werden.

Bei akuten Bedarfen oder Konflikten ist eher ein mehrstündiger moderierter Workshop hilfreich, der womöglich noch weitere Termine nach sich zieht. 

Fazit

Prozessdesigns, die rein auf dem Prinzip der Freiwilligkeit im Umgang mit den Ergebnissen des 360-Grad-Feedbacks setzen, erzielen zu wenig Wirkung. Das andere Extrem des durchdesignten Prozesses geht oft über den realen Unterstützungsbedarf hinaus. Einen tragfähigen Kompromiss kann ein Prozessdesign bieten, das nach Kenntnis der Ergebnisse über sinnvolle weitere Maßnahmen entscheidet. 

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Ralph Rexhäuser
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